"Die Einwohnerschaft der Stadt Gelsenkirchen hat nun dank ihrer großzügigen Stadtverwaltung in dem wundervollen Konzertsaal ihres Hans-Sachs-Hauses eine Orgel der Firma E. F. Walcker & Cie., Ludwigsburg, erhalten, welche durch Einheitlichkeit des Aufbaues und klangliche Auswirkung ihresgleichen sucht und z. Zt. von keiner übertroffen wird."

Aus dem amtlichen Abnahme-Gutachten von 1927



Der Spieltisch der Walcker-Orgel wurde nur bei Gebrauch aus dem Gehäuse rechts der Bühne herausgefahren

Der Hans-Sachs-Haus-Saal beherbergt mit der großen Walcker-Orgel seit den 20er Jahren ein Instrument, das die Fachwelt heute als die wichtigste Saal-Orgel in Deutschland ansieht.

Geschichte

Ihr Bau wurde im Oktober 1925 in Angriff genommen und der Einbau dieser gewaltigen Orgel – die damals neueste Schöpfung Oscar Walckers – begann am 21. Juli 1927. Am 15. Oktober 1927 wurde sie durch Oberbürgermeister von Wedelstedt eingeweiht und kein geringerer als der Thomaner-Kantor Ramin brachte das Instrument an diesem Tage in feierlichster Form zum Klingen. Gespielt wurde sie vom Podium aus im Saal – die Pfeifen sind vom Publikum aus nicht zu sehen. Spieltisch, Orgel und Fernwerk (das mit seinen 568 Pfeifen über die Zeit verloren ging) sind durch 12 km Kabel miteinander verbunden.

Während des Krieges wurde die Orgel ausgebaut und auf Bauernhöfen im Lipperland eingelagert. Zuletzt hat die Orgel im Kreishaus in Büren diese Notzeit gut überstanden. Damals wurde sie mit einem Bestand von rund 10.000 Pfeifen, fünf Manualen, mit 92 Registern und 22 Koppeln benannt. 1949 fand das erste Nachkriegskonzert im Hans-Sachs-Haus- Saal statt. „Die Stadt hat ihre Seele wiederbekommen“, stellte man damals erfreut fest.

Während der dritten Renovierung des HSH-Saales im Jahre 1975 hat man wegen des Seltenheitswertes dieser Orgel auf eine Demontage verzichtet. Gleichzeitig wurden zusätzlich 100 000 DM für die Reinigung und Pflege des Instrumentes bereit gestellt. 1982 erhielt die Walcker-Orgel eine neue technische Ausrüstung des Spieltisches.

Die größte ihrer Klasse

Bereits 1986 wurde sie die bedeutendste Saalorgel Deutschlands genannt. Bis heute hat diese Orgel einen hohen Rang. Sie ist nicht nur die letzte bedeutende Saalorgel, die der Orgelbaureformer Oscar Walcker gebaut hat, sondern sie ist die einzige erhaltene große Walcker-Orgel aus dem ersten Drittel des letzten Jahrhunderts. Die Walcker-Orgeln in St. Reinoldi in Dortmund aus dem Jahre 1909 und St. Michaelis in Hamburg aus dem Jahre 1912 existieren leider nicht mehr.

Inzwischen ist sie die größte Saalorgel Deutschlands (WAZ vom 17.10. 2000), eine Orgel, wie sie keine zweite Stadt in Deutschland vorweisen kann, größer als die des Kölner Doms. Diese „Wunderorgel“ im Hans Sachs-Haus erfährt ihre wissenschaftliche Würdigung im Fachblatt „Organ“ des Schott-Verlages. Der Chefredakteur Wolfram Adolph, stellt dieses weltberühmte Instrument in den Kontext der Gesamtarchitektur des Konzertsaales. Und gerade die wissenschaftliche Exaktheit dieses Beitrages wird von dem Kustos der Walcker- Orgel, Karlheinz Obernier gelobt. Adolph nennt sie eine Wunderorgel, die größte, noch bestehende Saalorgel Deutschlands, die sich einreiht in Orgelberühmtheiten wie die im Wiener Stephansdom oder die in der Bostener Music Hall. Und wegen dieses hohen Ranges ist sie schlußendlich denkmalgeschützt.

Die Walcker-Orgel heute

2001 wurde das Instrument ausgebaut. Die Zerlegung dauerte allein elf Wochen. Das Instrument sollte im Saarland saniert werden und das verloren gegangene Fernwerk nach den alten Originalzeichnungen ersetzt werden. Die Kosten für Um- und Ausbau sowie die Sanierung wurden mit 1,5 Millionen DM benannt. Eine neue Orgel vergleichbarer Größe würde das Doppelte kosten. Mittlerweile wird das Instrument bei der Firma Seifert in Kevelaer in großem Umfang saniert und restauriert. Ein komplett neuer Spieltisch wird gefertigt, die Registerausstattung auf den historischen Urzustand zurückgeführt. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. Die Orgel wird so wieder hergerichhtet, dass sie allein für den Einbau im Hans-Sachs-Haus-Saal geeignet ist. Ob sie jemals in diesen Raum zurückfindet, hängt vom weiteren Verlauf des HSH-Pokers ab. Man kann nur hoffen, dass die Orgel bei den anstehenden politischen Auseinandersetzungen nicht irgendwann fallen gelassen wird.



Die Zukunft

Jedenfalls ist die Zukunft dieses musikalischen Juwels äußerst unsicher. Denn beim Bürger- und Verwaltungszentrum an der Ebertstraße erteilt der SPD- Landtagsabgeordnete Markus Töns bereits jetzt konzertanten Ambitionen eine Absage. Dieser Saal müsse nicht für die Bedürfnisse der Philharmonie ausgestattet sein, denn in Dortmund und Essen seien gerade Konzertsäle entstanden.
„Bei der Entscheidung über den Standort der Walcker-Orgel müssen wir uns davon leiten lassen, in welchen Raum sie wirklich passen würde und nicht zwangsläufig einen kostspieligen Raum neu bauen, der dem Klangvolumen der Orgel gerecht wird.„ (WAZ vom 19.10.05 SPD- Fraktions- Vize Barbara Filthaus) So sprechen „Fachleute“.

Diese Orgel stand in einem „Mehrzwecksaal“ darum hat man ihr keinen Prospekt gegeben, das heißt, diese Orgel hat keine „Schauseite“ wie es in Kirchen oder reinen Konzertsälen der Fall ist. Die Orgel hat also kein Gesicht, das der Betrachter in der Regel sieht. Dazu kommt, dass das Instrument ein Klanggehäuse braucht. Abgesehen davon, dass die Heilig-Kreuz-Kirche in ückendorf eine für ihre Größe ausgelegte Orgel hat, müsste dieses Instrument auf der Orgelbühne eingehaust aufgestellt werden, was die Innenarchitektur dieses Raumes gar nicht vertrüge. Das den ganzen Innenraum beherrschende Fenster würde von dieser Einhausung völlig verdeckt. Ohne Einhausung und Prospekt käme auf dieser Musikmaschine wohl keine Klangmischung zustande. Die weiteren baulichen Maßnahmen, die in der Heilig-Kreuz-Kirche notwendig wären, um eine einigermaßen erträgliche Akustik zu erreichen, werden bisher, taktisch klug, verschwiegen!

Besuchen Sie auch die außergewöhnlich umfangreiche Homepage der Orgel: www.walcker-orgel.de




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